Alte Strassen und Fernwege in Hessen

Altstraßen waren üblicherweise Höhenwege und verliefen seit jeher hoch oben entlang der natürlichen Wasserscheiden und Mittelgebirgskämme, da in den Talauen Flüsse ohne vorhandene Brücken oder sumpfiges Gelände oft unüberwindliche Hindernisse für Reiter und Fuhrwerke darstellten. Erst später verliefen Abzweige dieser Straßen auch durch die Täler, um die dort entstandenen Städte an das alte Wegenetz anzubinden und zu beliefern.

Diese alten Fernwege waren keine Straßen im heutigen Sinne, sondern eher unbefestigte Pfade und Saumwege. So bildeten sich im Laufe der Jahrhunderte regelrechte Hohlwege durch Regen und Auswaschungen. Wenn eine Fuhrrinne zu ausgefahren war oder durch tiefen Matsch unpassierbar wurde, eröffneten die Fuhrwerke einfach daneben eine neue Spur. So kann man manchmal heute noch mehrere parallele Rinnen rechts und links von Altstraßen entdecken. Oft teilte sich ein Handelsweg entsprechend der örtlichen und saisonalen Gegebenheiten in mehrere Straßenzüge, um sich viele Kilometer weiter wieder zu einem Straßenstrang zu vereinen. Erst mit dem Chausséebau Ende des 18. Jahrhunderts verloren die alten Handelsrouten zunehmend ihre Bedeutung.

Entwicklung der hessischen Verkehrswege

Prinzipiell ist es ja so, dass vorhandene alte Wegeverbindungen so lange weiter genutzt oder mitunter weiter ausgebaut wurden, bis neue Sachzwänge oder Prioritäten eine Verlagerung des Verkehrs erforderten. So waren die ältesten Verbindungen der Kelten in der Hallweg- bzw. Latènezeit Höhenwege, die sich möglichst auf der wärmeren und windgeschützen Südseite der Mittelgebirgskämme hinzogen und grob in die richtige Richtung führten. Zu nennen sind hier die vorgeschichtliche Route in nördlicher Richtung ab dem keltischen Oppidum "Heidetränke" bei Oberursel vorbei an den östlichen Ausläufern des Taunus sowie die ebenfalls uralte "rechte Nidderstraße" über das bedeutende keltische Siedlungszentrum des Glaubergs.

Die Höhenwege entlang der natürlichen Wasserscheiden gewährten eine jahreszeitunabhängige Nutzung, während die Talniederungen aufgrund jahreszeitbedingter Feuchtigkeit z.T. unpassierbar waren, genauso wie Flüsse ohne natürliche Furten. Dem verzweigten Netz der Vulkanausläufer des Vogelsbergs kam somit eine zentrale Verteilungsfunktion des frühen mitteleuropäischen Verkehrs zu, denn von den Höhen des Vogelsberges konnten über die sich in alle Himmelsrichtungen verzweigenden Höhenrücken sämtliche Richtungen eingeschlagen werden.

Mit der Besetzung der germanischen Gebiete durch die Römer wurden die alten Verbindungen weitgehend weiter genutzt; die Römischen Besatzer errichteten entlang des Limes an den gängigen Handelsrouten Kastelle, um dort den Warenverkehr zu kontrollieren. Beispiel dafür sind die Kastelle in Marköbel an der "Hohen Straße" bzw. Antsanvia und in Butzbach an der alten Weinstraße.

Zugleich erforderte die Überwachung des Limes gerade im Gebiet der Wetterau eine besondere Logistik, die durch bestehende alte Verkehrsrouten allein nicht gewährleistet werden konnte. Aufgrund ihrer für diese Zeit einzigartig ausgereiften Straßenbautechnik waren die Römer in der Lage, die Straßenführung nicht wie bisher den örtlichen Gegebenheiten anzupassen, sondern diese aktiv auf ihre Bedürfnisse auszurichten. Dies zeigt sich an der überwiegend schnurgeraden Ausrichtung der Straßen des Römischen Reiches auf das Verkehrsziel unabhängig vom Gelände.

Im Mittelalter wurden die bereits bestehenden Fernwege überwiegend weiter genutzt, wobei die Straßen wegen mangelnder Instandhaltung zunehmend verfielen und sicherlich vielfach schlechter waren als zu Zeiten des Römischen Reiches.

Zeitliche Einteilung von Altstrassen

Unterschieden werden vorgeschichtliche Altstraßen aus der Latènezeit, die schon die Kelten benutzten, Römerstraßen, die zumeist als Heerstraßen während der römischen Besatzungszeit der deutschen Gebiete angelegt wurden, Fernwege des Frankenreichs, Handels- und Heerstraßen des Mittelalters und der Chausséebau der Neuzeit, der Ende des 18. Jahrhunderts einsetzte.

Die Handelsstraße Frankfurt-Leipzig

Besonders spannend fand ich den Verlauf der Verbindung Frankfurt-Leipzig quer durch Hessen. Chronologisch gesehen entstand in frühester Zeit die Altstraße (Via Antiqua) über den Glauberg und den Höhenrücken zwischen Nidder und Kinzig (Glaubergstraße oder Rechte Nidderstraße). Wahrscheinlich aber ist sie noch viel älter als man zuerst dachte, denn die Funde der Keltengräber am Glauberg lassen auf eine Entstehung schon während der Latènezeit oder noch früher schließen. Diese älteste Verbindung wurde wahrscheinlich anno 754 für den Leichenzug des Bonifatius nach Fulda benutzt (Bonifatiusroute).

Abgelöst als Handelsweg wurde dieser älteste Straßenzug von der "Hohen Straße" oder "Reffenstraße", die südlich davon über den hohen Reffenkopf auf der Südseite der Vogelsberg-Höhenzüge verlief und eine kürzere Verbindung bot. Ab dem 12. Jahrhundert zur Blütezeit des Frankenreiches verlagerte sich der Reiseverkehr dann zunehmend in das Kinzigtal, um die Kaiserresidenz in Gelnhausen an das Wegenetz anzubinden. Die Kinzigtalstraße wurde auch "Via Regia", Königsstraße oder Kaiserliche Geleitstraße genannt und die Reffenstraße wurde ihrerseits zur alten Straße, zur "Antsanvia". Über die Jahrhunderte läßt sich somit eine Verlagerung der ältesten Höhenstraßen in die Täler beobachten.

Die alte Handelsstraße Frankfurt-Hildesheim

Zu den "vornehmbsten Messen" der mittelalterlichen Messestadt Frankfurt zogen die Kaufleute aus dem Norden über eine Straße, der heute ungefähr die B3 folgt. Diese Bundesstraße stellt den mittleren Strang der Straßen dar, die Frankfurt mit Nordhessen verbinden. Westlich dieses Weges verlief die "oberste Straße" von Frankfurt in Richtung Bonames, über Ober-Erlenbach und Burgholzhausen weiter über Ober-Rosbach, Ober-Mörlen, Ostheim und Niederweisel nach Butzbach, wo sie sich mit der "mittleren Straße" wieder vereinigte. Diese "oberste Straße" ist auch als alte Weinstraße bekannt.

Der "mittlere Straßenstrang" überschritt die Nidda, führte vorbei am Haarheimer Brunnen, dann über Massenheim und verlief westlich der heutigen B3 als alte Heerstraße auf Ober-Wöllstadt und weiter der B3 folgend über Friedberg und Bad Nauheim nach Butzbach.

Die sogenannte "unterste Straße" verließ Frankfurt über die Friedberger Warte und zog über die Niddabrücke bei Bad Vilbel. Bei Kloppenheim traf sie wieder mit der "mittleren Straße" zusammen und bildet einen Abschnitt der "kurzen Hessen" auf dem Weg nach Leipzig.

Bedeutende alte Straßen durch Hessen

Auch heute sind einzelne Streckenabschnitte der Altstraßen noch als Feld- oder Waldwege erhalten und können zu Fuß oder mit dem Fahrrad gut erkundet werden. Erkennen kann man sie u.a. an alten Wegmalen (Stundensteine, Kreuze, Wegweiser), Kapellen oder ausgefahreren parallelen Rinnen, Hohlwegen und Strauchhecken. Manche Teilabschnitte sind heute überbaut von Bundesstraßen oder Autobahnen (z.B. Elisabethenstraße, heute A66) und können im Verlauf leider nicht mehr genau nachvollzogen werden.

Altstraßen im Taunus

Die Straße Homburg-Idstein bzw. Homburg-Weilburg

In einem alten Buch fand ich folgenden Hinweis auf diese Verbindung: "Ein tiefer Hohlweg "der Trieb" genannt, verlief von der Homburger Altstadt "Ditincheim" über Oberstedten in den Wald. Mitte des 19. Jahrhunderts ist er beinahe ganz zugeworfen worden. Dicht bei dem sogenannten Tempel, am Waldesrand, teilt er sich in zwei, später in drei bis bis vier und sogar noch mehr Hohlen, von denen jedoch die beiden ersten bis zur Höhe nebeneinander herlaufen, während die anderen sich stets nach anderen Richtungen abzweigen. Die Hauptstraße läuft hinter dem Exerzierplatze her und an der nordöstlichen Seite des Sangeberges hin zum "kalten Wasser", dicht am Landgrafenberg (Schönfortsberg des Mittelalters). Die Strasse zeigt an vielen Stellen Erdaufwürfe namentlich am "kalten Wasser", wo sich auch die letzten Überreste eines Gebückes befinden. Hier teilt sich sich; der eine Arm läuft westlich, vereinigt sich mit Strasse 4 und zieht bei dem alten Jagdhaus über den Kamm des Gebirges „Strasse von ..." (Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst, 1883).

Einteilung von Altstraßen (nach Landau)

Georg Landau (* 1807 - † 1865) hessischer Archivar und Historiker, unterschied zwischen Öffentlichen Straßen und Heerstraßen, Land- oder Markwegen (viae convicinales), Kirchwegen (viae pastorales) und Notpfaden.

Öffentliche Straßen und Heerstraßen erhielten zahlreiche unterschiedliche Bezeichnungen, die auf ihre Verwendung, ihre Lage oder auf ihr Umfeld schließen lassen. Diese waren eher Gattungsbezeichnungen als konkrete Straßennamen.

Exkurs: Historische Jagdwege zu Romrod